
Am Dienstag, 27. September, 19.30 Uhr, stellte Dr. Gesa Dane im Lessinghaus ihr 2021 erschienenes Buch Wer rechnet schon mit Lesern? vor, das dreizehn Aufsätze zur Literatur von Ruth Klüger versammelt. Die Germanistin verwaltet den Nachlass von Klüger und berichtete in ihrem Vortrag nicht nur über das neue Buch, sondern auch über bisher unveröffentlichtes Material sowie über Klügers vielfältiges Interesse an Lessing und die Aufklärungszeit.
Das unerbittliche Ringen um Aufklärung, wie es für Lessing typisch gewesen ist, war auch für Ruth Klüger ein zentrales Anliegen. Die renommierte Germanistin wurde vor allem durch ihre Autobiografie weiter leben. Eine Jugend bekannt. Sie war im Kindesalter in verschiedene Konzentrationslager verschleppt worden. Auf einem Evakuierungsmarsch gelang ihr 1945 die Flucht. Die 1992 veröffentlichte Autobiografie wurde zu einem Bestseller und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Klüger gehört zu den bedeutendsten Autorinnen ihrer Zeit. Mit ihren Veröffentlichungen hat sie wichtige Anstöße für die feministische Literaturwissenschaft sowie für die Darstellung von Juden in der Literatur gegeben. In einem ihrer Aufsätze urteilt sie etwa über den Roman Der Butt (1977) von Günter Grass, dass dieser die Frau durchgehend als Objekt darstelle. »It’s all tits and cunts«, fasst sie provokant zusammen. Die Neuedition ihrer Aufsätze enthält neben einem unveröffentlichten Text auch eine hellsichtige Interpretation von Lessings Trauerspiel Emilia Galotti, in der sie sich mit dem Generationenkonflikt befasst: Die junge Generation (Emilia, Prinz Hettore Gonzaga, Graf Appiani) suche und finde in Odoardo Galotti einen Lenker ihrer Geschicke. Die Vaterfigur allerdings, zugleich Stellvertreter Gottes, versage. »The failure of men«, pointiert Klüger, »is God’s own failure.«

© Foto: Katharina Deffland